Aus der Schwäbische Zeitung vom 12. August 2018
Es ist nicht lange her, da musste sich die Grünen-Bundestagsabgeordnete Margit Stumpp schnell einen Plan B überlegen. Sie war auf dem Weg nach Berlin und stand am Bahnsteig in Königsbronn, als es hieß: Zugausfall. Das berichtet die Politikerin im Redaktionsgespräch, zu dem sie mit Grünen-Landtagsabgeordneter Martin Grath gekommen ist. In den vergangenen Tagen und Wochen wurden in und um Aalen immer wieder technische Störungen und Ausfälle gemeldet.
In Stumpps Fall war der Zug zwischen Königsbronn und Oberkochen liegen geblieben. Die Politikerin fackelte nicht lange. „Ich dachte mir: Bist du bescheuert, da vorne ist die B19 – irgendeiner wird dich schon mitnehmen.“ Und tatsächlich: Es habe problemlos funktioniert, ein Mann nahm sie mit. Aber das Erlebte zeige, wie wichtig das Thema ÖPNV auf der Ostalb sei. Von Oberkochen bis Aalen brauche man mit dem Auto manchmal 45 Minuten. Der neue Bahnhalt, Umgehungen und Radstrecken seien essentiell.
Für die neue B29 würden Unsummen ausgegeben – „bei der Bahn sehe ich diese Priorisierung nicht“, sagt Stumpp. Und die Bahn selbst spare jetzt auf der Strecke, weil 2019 der Betreiber wechselt. Es gebe alte Wägen, die Servicezeiten am Aalener Bahnhof wurden eingeschränkt. Durchsagen werden automatisiert und sorgten auf dem Bahnsteig manchmal für Verwirrungen, berichtet Stumpp. „Durch den Krach versteht man wenig. Die Infos kommen nicht bei den Reisenden an.“
Land will mehr Mobilität
Wie künftig der Anschluss zwischen den beiden Anbietern funktionieren soll, steht noch offen. Die Bahn warte noch auf eine Reaktion von Go-Ahead, sagt Stumpp. „Einer muss den Hut aufhaben“, meint Grünen-Landtagsabgeordneter Martin Grath. Für jede Eventualität könne es kein festgeschriebenes Protokoll geben.
Insgesamt wolle das Land mehr Mobilität und dabei weniger Verkehr. „Winfried Hermann hat der Regio Donau Iller seine volle Unterstützung zugesagt, um der Brenzbahn etwas Gutes zu tun.“
Eine gute Alternative sei Carsharing, findet Stumpp. „Bei uns hat jeder zwei oder drei Autos in der Garage stehen.“ Allerdings funktioniert das Konzept nicht: „Ich war zwei Jahre angemeldet, in dieser Zeit wurde unser Auto vier Mal ausgeliehen.“ Wahrscheinlich könne sich die Mehrheit nicht vorstellen, das Auto einem Fremden zu überlassen – wenn auch gegen Geld.
Ihre erste Sommerpause als Parlamentarierin erlebe sie mit gemischten Gefühlen. „Es ist so: Wir haben seit einem dreiviertel Jahr eine Regierung. Aber wenn ich abends ins Bett gehe, weiß ich nicht, ob es diese Regierung noch gibt, wenn ich morgens aufstehe.“ Es sei eine intensive Zeit gewesen. Immerhin habe es nach 100 Tagen so ausgesehen, als ob die Regierung dem Bund um die Ohren fliegen würde. „Alle denken, jetzt ist alles wieder gut – ich glaub´ das nicht.“
Anträge zu kompliziert
Für die digitale Infrastruktur seien vom Bund drei Milliarden Euro Fördergelder vorgesehen, von denen allerdings nur drei Millionen tatsächlich abgeflossen seien. Die Bedingungen seien zu kompliziert, sagt Stumpp. Was bisher an Fördergeldern geflossen sei, sei hauptsächlich vom Land finanziert.
Bildung ist ihrer Meinung nach keine reine Ländersache. „Ich sehe nicht ein, warum der Bund keine Sachinvestitionen an Schulen machen kann.“ Es müsse gezielt Geld für die Digitalisierung an Schulen eingeplant werden. Dabei gehe es neben der Beschaffung der Medien auch um eine IT-Stelle. Es könne nicht sein, dass Lehrer sich um Aussetzer in der Technik kümmern müssten, während sie eigentlich für die Schüler da sein sollten.
„AfD wird verbal kritischer“
Die Situation mit der AfD im Bundestag findet sie schwierig. „Sie werden verbal kritischer und verschieben die Grenzen des Sagbaren.“ Der Reichstag vernehme Parolen, die er 80 Jahre nicht gehört habe. Es müsse einen Schulterschluss zwischen den demokratischen Parteien geben – und das auch im Wahlkreis. Sie sei lange auf der Ostalb ehrenamtlich unterwegs gewesen. „Als Stadtrat bekommt man wenig Resonanz. Wenn, dann nur Negatives.“ Das politische Ehrenamt werde nicht ausreichend gewürdigt. Dabei säßen viele stundenlang bei den Vereinen – in ihrer Freizeit wohlgemerkt – und würden oft nicht mal begrüßt. „Wenn man ein Mandat hat, wird man plötzlich hofiert.“
„Die Welt schaut auf das Land“
Martin Grath, der wie er selbst sagt, in der wichtigsten Regierung – der Landesregierung – sitzt, sagt, dass er mit der CDU gut auskommt. „Wir haben uns nicht gesucht, aber gefunden.“ Sein Baby sei derzeit die Biomusterregion – wofür Heidenheim sich bestens anbiete. Jetzt – während dieser Trockenheit habe natürlich auch sie mit Problemen zu kämpfen. Aber: „mit anderen, als andere Bauern“, sagt Grath. Die Böden seien nicht so ausgetrocknet, wie Felder, auf denen es reine Monokulturen gebe.
Zum Einwanderungsgesetz gebe es viele gute Ansatzpunkte. „Was können wir für eine bessere Entwicklungshilfe geben, als den Menschen hier eine Ausbildung anzubieten“, fragt Grath. „Die Welt blickt auf Baden-Württemberg, in der Flüchtlings- und in der Mobilitätsfrage“, sagt Grath. „Und es sieht so aus, als ob wir hervorragende Lösungen bieten könnten.“ Und damit verändere die Regierung des Landes die ganze Welt.